Kichererbse / Bierkönig
Mathias
Geburtsjahr: 1994
Missense Variante: c.629C>T, heterozygot, p.(Thr210Met)
Mutation: de Novo
Diagnosezeitpunkt: August 2023
Alter bei Diagnose : 29
Geschwister: ja, eine jüngere Schwester
Äußerliche Merkmale: auffälliges Gangbild, am linken Ohr wirkt der Rand wie ein Stück abgeschnitten
Symptome:
- Muskelhypotonie
- mittelgrade Intelligenzminderung (Früher Entwicklungsverzögerung)
- Wahrnehmungsstörungen
- im Kindesalter Fruktosemalabsorption
- autistische Züge
- herausforderndes Verhalten
- fremdverletzendes Verhalten
- Weglauftendenz
Epilepsie:
- kurze generalisierte Myoklonien (Blitzkrämpfe) vom 11. bis 37. Monat
- seither partielle fokale Anfälle (nicht gesichert) in Form von Zittern der linken Hand
- 4 Grand-mal-Anfälle im Alter von 9-10 Jahren
Medikamente:
- Orfiril
- Lamictal
- Risperdal
Hilfsmittel:
- Schuheinlagen
- Brille
- früher Zahnspange
Anschaffungen:
- abschließbare Fenster
- früher Gurtsystem fürs Auto,
- früher großes Gitterbett
Schwangerschaft:/ Geburt:
Angenehme Schwangerschaft, im Vergleich zum 2. Kind hat sich Mathias nur wenig und nicht koordiniert bewegt. Leichte Geburt, Apgar-Wert 10. Danach leichte Gelbsucht.
Wann ist aufgefallen, dass etwas nicht stimmt?
Einer Oma ist gleich aufgefallen, dass Mathias hypoton ist und ins Leere schaut. Mit 6 Monaten wurde es deutlich, weil er nicht angefangen hat, sich zu drehen. Man konnte ihn auf dem Tisch liegen lassen. Er hat auch nicht koordiniert gestrampelt.
Was ist euch aufgefallen?
Baby bis ca. 1 Jahr
- Sehr verlangsamt in allem, lernt alles sehr verspätet, kein Interesse an den meisten Dingen, aber lauthals lachen bei sehr lauten Geräuschen wie Kompressor, panische Angst vor Blechblasinstrumenten, keine Regung beim Näherkommen der Eltern oder Hochnehmen, kein Blickkontakt
- Schläft sehr tief und lang
- Isst sehr viel, hohes Gewicht trotz ausschließlichem Stillen
- Keine normale Körperspannung
Ab 1 Jahr
- Krabbeln mit 13 Monaten, in Blitzesschnelle überall, kein Gefahrenbewusstsein, kein Abstützen, isst alles (auch Sand und Erde)
- Aufstehen mit 16 Monaten
- Erste Schritte mit 18 Monaten, aber kein freies Stehen möglich (kippt um)
- Richtig freies Laufen mit 3 Jahren
- Sprechen: mit 20 Monaten Mama, Papa, na (nein), später weitere zweisilbige Wörter, alle hinten betont, dann fast keine Fortschritte bis 9 Jahre
- Isst sehr viel und alles, meist offener Mund
- Sucht extreme Reize, z. B. scharfe Gewürze, hält die Finger in die Räder des Kinderwagens, sehr willensstark
- Sprachverständnis gut, Feinmotorik schlecht, Gleichgewicht schlecht
Ab 3 Jahren
- Herausforderndes Verhalten, anderen Kindern Haare ausreißen, Mutter beim Wickeln treten, auf den Arm schlagen, später beißen, Kleidung zerreißen, ab 4 seine kleinere Schwester gefährden
- Schnallt sich ab beim Autofahren, Weglauftendenz, ich muss ihn an einem Band ums Handgelenk haben, wenn ich ihn loslassen muss, um den Kinderwagen zusammenzuklappen oder seine Schwester zu heben
Springt in jedes nahe Wasser, auch bei minus 20 Grad in einen Brunnen und findet das lustig - Kann Melodien richtig nachsingen
- Besucht den Förderkindergarten der Lebenshilfe
Bis 9 Jahre
- Besucht die Lebenshilfeschule
- Keine Ansätze zum Lesen oder Rechnen, kann nicht zählen, keine Farben benennen
- Zuhause sehr oft Wutanfälle, schreit sehr viel
- Sauberkeitserziehung scheitert weitgehend an seinen Wutanfällen
- Mit 9 muss Mathias in eine Einrichtung für Menschen mit Behinderung, da die Gesundheit von Mutter und Schwester gefährdet erscheint
- Seither ist Mathias jedes 2. Wochenende und zeitweise im Urlaub zuhause.
Ab 9 Jahren:
- Rasant schnelle Sprachentwicklung beginnend mit dem Satz „Ich habe Hunger“. Spricht grammatisch zunehmend richtig mit großem Wortschatz, kann aber nur sechs Konsonanten.
- Sauberkeitserziehung allmählich erfolgreich
- Wird mit Ritalin behandelt, dadurch weniger Fremdaggressionen, wirkt damit aber gehetzt, isst tagsüber nichts und redet pausenlos
- Begreift ab 14 die Handlung beim Fernsehen
- Unbeliebt bei den Mitschülern wegen „Schadenfreude“
- Zerstört sehr viel, z. B. Brillen, Autoantennen, Scheibenwischer, Glastüren, Küchentische, wirft mit Besteck, reißt Vorhänge und Zimmerpflanzen herunter
Ab 20 Jahren:
- Anfänge von Mitgefühl
- Freut sich zum ersten Mal beim Herankommen der Eltern
- Wir können zum ersten Mal in den Urlaub fahren und Besuch empfangen
- Risperdal statt Ritalin, darauf fast nicht mehr aggressiv, aber kichert mehr
- Redet fast die ganze Zeit überlaut, wiederholt Episoden, wo er sich herausfordernd verhalten hat
- Gutes Gedächtnis, lernt immer noch dazu
- Großer Bewegungsdrang und dauerndes Bedürfnis nach Action
- Mag nicht allein sein und kann sich nicht allein beschäftigen
- Hauptinteresse: Dinge, die gefährlich und verboten sind, z. B. Maschinen, Kraftwerke
- Kocht und isst gerne, auch extrem scharf
- Wenn er jemanden arbeiten sieht, rennt er hin und will helfen (auch gegen den Willen desjenigen)
- Man kann ihm einige Sachen erklären, die er nicht darf, und er versucht sich daran zu halten, solange die Situation überschaubar ist (Einkaufen und Restaurantbesuch mit strengen Regeln möglich)
- Lässt die Deko stehen und dekoriert gern selbst
Wie lange war der Weg zur Diagnose?
Diagnostikversuche in der Kinderklinik Bayreuth im Kleinkindalter, MRT 1995 und 1997 unauffällig,
EEGs immer auffällig, Diagnostikversuche in Vogtareuth und Marburg alle ohne Ergebnis, teilweise wurde schwarz auf weiß die Schuld an seiner Entwicklungsverzögerung bei uns vermutet
2016 MRT ohne klares Ergebnis
2023 Neurologie in Erlangen wegen Unsicherheit seines behandelnden Neurologen, ob das Händezittern ein epileptischer Anfall ist
Von dort aus Überweisung zur humangenetischen Untersuchung
Heldeneigenschaften:
- Mathias lacht schon immer sehr gerne. Zum Beispiel, wenn er das Wort „Kichererbsen“ hört, lacht er unaufhörlich. Oder als er Dinner for one begriffen hat, hat er so gelacht, wie ich noch nie jemanden lachen gehört habe.
- Er macht dauernd lustige Sprüche, z. B. „Ich bin der Wahnsinn“ oder „Ich kenn mich, des geht eh schief“.
- Er kann Wörter umschreiben, die er nicht gut aussprechen kann, z. B. „Fenster“: „Sowas wie Türen, aber aus Porzellan“.
- Er findet sich nicht behindert und ist äußerst gesellig. Im Lokal stößt er sofort mit allen Leuten an. Am liebsten geht er zu Bierfesten und hilft dort (auch gegen den Willen der Bedienungen) die leeren Krüge einsammeln. Manchmal hört er Volksmusik oder Ballermannhits auf allen Kanälen gleichzeitig, nicht zur Freude der Restfamilie. Am allerliebsten möchte er aufs Oktoberfest, aber da schwächeln unsere Nerven.
Therapien:
-
Im Kindes- und Jugendalter Vojta, Bobath, Ergo, Logo (mochte er nicht)
-
im Moment keine
Zitat
„Du hast uns einiges über das Leben beigebracht: dass die Sauberkeit der Wohnung oder der IQ oder die Meinung der Leute nicht so wichtig sind, hingegen Mitgefühl und Respekt“
Eltern von Mathias
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